Bremen, 6. Juni 2021
Wir haben uns vergangene Nacht in der aufgewerteten Bremer Neustadt die Straße genommen. Dabei gingen die Scheiben von zwei Immobilienbüros und einer Bankfiliale zu Bruch. Eine brennende Straßenbarrikade sicherte unseren Abgang.
Die Rigaerstraße 94 ist erneut von einer Räumung bedroht ebenso wie der Wagenplatz der Køpi, die Potse und einige weitere linksradikale Projekte im Großraum Berlin. Insbesondere in Städten in Deutschland, aber auch weltweit, wird Wohnraum als Ware gehandelt. Der Immobilienmarkt ist die völlig entgrenzte Spielwiese von Spekulant*innen, Makler*innen und jenen, die um ihre Altersvorsorge fürchten.
Die kapitalistischen Herrschafts- und Machtverhältnisse zeigen sich kaum woanders so klar mit ihrem menschenverachtenden Gesicht wie in der Wohnraumfrage. Unzählige wohnungslose Menschen (über-)leben auf der Straße während frisch gebaute Luxuslofts scheinbar völlig alternativlos leer stehen oder der nächste Eigenbedarf von Vermieter*innen angekündigt wird.Während in Berlin und anderswo der sozialere Wohnungsbau und Mietdecklungen zum Stillstand gebracht werden, müssen Grünflächen, prekäre Stadtteile, öffentliche Räume und linke Projekte luxuriösen Immobilienspekulationen weichen.
Diese Verhältnisse führen zu brutaler Verdrängung der ansässigen Bewohner*innen, zur Zerstörung von sozialen gewachsenen Kontexten und zu einer politisch gezielten Zerschlagung von linksradikalen Strukturen und Lebensräumen. Diese Angriffe auf selbstorganisierte Räume sind Teil profitorientierter Stadtgestaltung, bei der es klare Gewinner*innen gibt, die dabei Verlierer*innen mindestens in Kauf nehmen.
Widerstand gegen die Räumungen und Verdrängungen heißt für uns aufzubegehren gegen die Stadt der Reichen, gegen explodierende Mieten, Zwangsräumungen, gegen Immobilienkonzerne und andere Profiteur*innen des Wohnungsmarktes. Kurzum gegen die Aufwertung unserer Städte im Sinne des Kapitals.
Auf welcher Seite stehst Du?
In der Pappelstraße in der Bremer Neustadt hat nun das dritte Immobilienbüro eröffnet. Die neue Filiale des Biomarkts lädt ein zum Shoppen für ein gutes grünes Gewissen und die Sparkasse demonstriert auf einer riesen Fläche in gleich zwei Filialen ihre nichtssagende Bürgernähe, um weitere gute Anlagemöglichkeiten zu erlangen. Die Gegend verändert sich. Mehr und mehr zahlungskräftiges Publikum ist unter sich, trinkt teuren Wein, kauft sich ein Eigenheim, richtet sich in einer unbeschwerten Welt mit Latte Macchiato und verkehrsberuhigter Straße ein. Gekehrt wird ausschließlich vor der eigenen Haustür.
Wir haben keinen Bock auf diese ignorante heile Welt, die als Antwort auf die soziale Frage nur ein Achselzucken bereit hält. Und hinnimmt, dass genau diese Welt auf den Rücken so vieler Ausgebeuteter lastet, die selbst keinerlei Möglichkeit auf soziale oder materielle Absicherung haben.
„Es gibt keinen Grund das Bestehende zu verteidigen und sich auf die Seite der Profiteure des kapitalistischen Systems zu stellen. Aber es gibt genug Gründe sich gemeinsam gegen Staat und Kapital, gegen Autoritäten und ihre Verteidiger*innen zu organisieren und zu rebellieren, um für die Prinzipien der Selbstorganisierung, gegenseitigen Hilfe, der Solidarität und ein Leben in Freiheit und Würde zu kämpfen.[…] Wir rufen euch auf, den Angriff auf die alltägliche Ordnung der Stadt der Reichen zu unternehmen und zu intensivieren! “ (aus dem Aufruf zur Verteidigung der Rigaer 94)
Konfrontation und Militanz sind unser Ausdruck im Kampf für das Recht auf urbanes Wohnen und Leben. Unsere Wut wird sich weder der Repression des Staates noch den Benimmregeln linker Bewegungsmanager*innen anpassen.
Jede Räumung hat ihren Preis.
Für selbstbestimmtes und selbstorganisiertes Leben und Wohnen überall!
Autonome und Anarchistische Gruppen
Quelle: diym (Tor), endofroad.blackblogs.org, kontrapolis (Tor)