Wir haben in einer Blitzaktion die Rigaer Straße zwischen Zelle- und Liebigstraße zu einer Autonomen Zone gemacht. Mit Barrikaden an beiden Enden, mit vielen Leuten als Unterstützung versuchen wir damit der Einrichtung der Roten Zone zuvorzukommen, die von der Polizei für heute 15 Uhr vorgesehen ist. Die Rote Zone soll ein Gebiet der totalen Kontrolle dieses jahrzehnte umkämpften Straßenzugs darstellen. Wir haben zahlreiche Erfahrungen in den letzten Monaten und Jahren mit dieser Art von Ausnahmezustand gesammelt. Es werden mehrere Blocks rein polizeilichen Anordnungen unterstellt, Anwohner*innen müssen sich Durchsuchungen und Kontrollen unterziehen, Versammlungen sind grundsätzlich verboten. Es wird damit unverholen das Ziel verfolgt, Protest und Widerstand von den Orten zu verbannen, wo sie die herrschenden wirklich treffen könnten. Bei den letzten Räumungen und auch am 1. Mai hat der Innensenat so immer wieder ganze Straßenzüge unterworfen. Als Versammlung in Solidarität mit der Rigaer94 haben wir daher beschlossen, nicht darauf zu warten, bis Nägel mit Köpfen gemacht sind, sondern uns das Gebiet zu nehmen, um am Ende nicht vor den Absperrgittern mehrere Straßenzüge weiter zusehen zu müssen, wie die Polizei ungehindert agieren kann.
Hier in Friedrichshain lebt trotz staatlicher Allmachtsfantasien die Geschichte organisierten Widerstands und der Rebellion weiter. Mit unserer heutigen Aktion tragen wir das Bewusstsein auf die Straße, dass die Stadt eigentlich den Menschen gehören sollte, dass die Häuser keine Eigentümer*innen haben, dass der Staat hier nicht gebraucht wird und als Garant für Immobilienspekulation im speziellen und Kapitalismus im ganz allgemeinen abgeschafft gehört. Wer sollte das tun, wenn nicht wir.
In unseren begrenzten Möglichkeiten haben wir uns entschieden, den heutigen Tag zu nutzen, um wenigstens in diesem Straßenzug unsere Ideen von Solidarität und Freiheit zu verwirklichen. Die Rigaer Straße liegt uns besonders am Herzen, da wir hier seit mehr als 30 Jahren versuchen, selbstorganisiert und rebellisch zu leben. Für den morgigen Donnerstag ist ein frontaler Angriff auf unsere hiesigen Strukturen vorgesehen. Nur etwas mehr als ein halbes Jahr nach der Räumung des Anarcha-Queer-Feministischen Hausprojektes Liebig34 ein paar Meter weiter soll die Rigaer94 in die Mangel genommen werden. Es ist kein Geheimnis, dass die angebliche Brandschutzprüfung schon im März als Räumung des Hauses geplant war. Auch dieses Mal zielt dieser staatliche Angriff auf die Unterdrückung der hier kämpfenden Individuen und Kollektive ab sowie auf die Zerstörung eines Hauses, dass eine wichtige Infrastruktur darstellt. Wir als Versammlung rufen alle auf, sich dem Widerstand gegen die Räumung anzuschließen. Ab sofort müssen wir die Dinge in die eigene Hand nehmen.
Kurzes Update zu uns: Uns gehts gut, der Heli kreist, die Straße riecht nach rauch und wir haben Feuer im Herzen ! Lasst es uns weiter so krachen lassen und das verteidigen was unser ist ! Autonome Räume verteidigen ! Rigaer bleibt !!!
Quelle: Kontrapolis (Tor)
Am morgen des 16. Juni wurde die Rigaer Straße einschließlich Dorfplatz bis zur Zellestraße durch zahlreiche Menschen besetzt. Je Seite wurde um kurz vor 11 Uhr eine große Barrikade aus Reifen, Stacheldrahtverhauen, Baustellenmaterial und Müllcontainern errichtet. Dazu gab es je einen vorgelagerten brennenden Reifen. Mit dem Annähern größerer Polizeikräften rund um das Gebiet wurden auch die großen Barrikaden in Brand gesetzt. Es kam bald zur Verteidigung mit Steinen und Feuerwerk gegen kleinere vorrückende behelmte Einheiten zu Fuß. Diese stellten ihre Annäherungsversuche dadurch wieder größtenteils ein. Über die nächsten zwei bis drei Stunden kam es zu keinem tauglichen Versuch, die Barrikaden einzunehmen. Jeder Schritt vorwärts ihrerseits wurde durch Bewurf im Ansatz unterbunden. Die Zeit wurde von den sich vermehrenden Leuten innerhalb des Bereichs genutzt, diese zu verstärken und zusätzliches Material zur Verteidigung bereitzustellen. Auch außerhalb der besetzten Zone vermehrten sich Leute und es kam zu solidarischen Parolen, Feuerwerksbatterien in angrenzenden Straßen wurden gezündet und auch in anderen Straßen wurde Barrikadenmaterial auf Straßen gelegt. Die Szenerie im Nordkiez wurde durch schwarze Rauchwolken und das Knallen von Feuerwerk aus der Rigaer geprägt. Die ehemalige Liebig34 war von schwarzem Rauch umhüllt und einige der neuen Fenster wurden spontan eingeworfen. Rings herum sammelte sich ein langsam anwachsendes Polizeikontingent. Nach ca. zwei Stunden trafen die ersten wohl schon vorher bestellten auswärtigen Einheiten ein, kurz danach, etwa gegen 12 Uhr wurde bekannt, dass Wasserwerfer und Räumpanzer auf dem Weg über die Karl-Marx-Allee sind. Die Lage war statisch geworden, eine in diesen Zeiten selten, aufregende Situation. Das
Ganze war nicht mehr anders als unter Einsatz schweren Geräts zu lösen. So kam es dann wenig später. Unter Bewurf näherten sich von Osten und Westen Wasserwerfer den brennenden Barrikaden, löschten die Brände und kühlten den aufgeschmolzenen Asphalt. Dann ging es mit den Panzern an der Spitze los um in das umkämpfte Gebiet vorzudringen, wo noch einige umliegende Balkone mit Wasser beworfen wurden. Zögerlich kamen wenig später auch die sonst so selbstbewussten Fußtruppen um die Ecken und kämpften sich vor bis in die der Rigaer94 gegenüberlegenden Hauseingänge. Das Feuerwerk setzte nocheinmal zu einem Höhepunkt an, bevor sich die temporäre autonome Zone vollends auflöste und der Kiez beinahe nach offiziellem Zeitplan der totalen Kontrolle des Polizeiapparats unterworfen wurde. Nach ersten Einschätzungen gab es keine Festnahmen. Weitere Berichte von den anstehenden Ereignissen rund um die Rote Zone und der angeblichen Brandschutzbegehung der Rigaer94 werden sicher folgen.
Quelle: Kontrapolis (Tor)
Video:
https://kolektiva.media/videos/watch/2fb47538-7e1f-4a08-9b44-50d5c316a022
Es war der Versuch einer Machtdemonstration, einen Tag vor der Brandschutzbegehung des teilbesetzten Hauses in der Rigaer Straße 94 in Friedrichshain: Rund 200 Vermummte errichteten am Mittwochvormittag Barrikaden. Gitter, Autoreifen, Holzpaletten, Stacheldraht und alte Fahrräder stapelten sich auf der Straße.
Als die Polizei anrückt, setzten die Autonomen die Barrikaden in Brand und ließen einen Steinhagel auf Polizisten los – auch von den Dächern. Die dichte Rauchwolke war kilometerweit zu sehen, immer wieder explodierten Böller. Umliegende Kindertagesstätten und Schulen wurden geschlossen.
Nach einigen Stunden war es wieder vorbei, die Polizei löschte die Barrikaden mit Wasserwerfern, ein Räumpanzer machte die Straße frei. Anwohner mussten von Beamten begleitet werden und dicht gedrängt an der Hauswand entlanggehen, damit sie keine Steine abbekommen. Auf den Dächern räumten Polizisten dann alles weg, was auf die Straße geworfen werden könnte.
Die von den Linksextremisten ausgerufene „autonome Zone“ um die „Rigaer 94“ währte nur kurz. Die Autonomen hatten vergeblich verhindern wollen, dass die Polizei eine Schutzzone einrichtet. Bis Freitagabend sind in dem Areal nun Demonstrationen verboten, Fahrzeuge dürfen dort nicht geparkt werden, nur Anwohner dürfen hinein. Das Abfackeln der Barrikaden verhinderte die Sperrzone nicht.
Der Angriff wirkte geplant und gut vorbereitet. Die Botschaft: Wenn die Polizei am Donnerstagmorgen anrückt und ein Prüfingenieur für Brandschutz das Haus betreten will, dann muss mit massivem Widerstand und militanten Aktionen gerechnet werden. Die Linksautonomen und ihre Unterstützer verkündeten online: „Die Verteidigung der Rigaer94 hat begonnen.“
Geisel sagte wegen Eskalation Teilnahme an der Innenministerkonferenz abAn manchen Straßenecken stapelten sich da noch Pflastersteine in kleinen Häufchen, offenbar bereitgelegt für den Morgen. Die Autonomen behaupten, ihr Projekt solle zerstört und das Haus geräumt werden. Dabei geht es darum, dass der Brandschutz im Haus von einem Experten geprüft wird. Darauf hat auch Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Mittwoch noch einmal hingewiesen.
Wegen der Eskalation hat er seine Teilnahme an der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern in Rust abgesagt. „Wer Autoreifen anzündet, kämpft nicht für linke Freiräume, sondern drangsaliert den eigenen Kiez“, sagte der Innensenator. Grundsätzlich gebe es keine „Lex Rigaer Straße“. Damit meinte Geisel den Vorwurf, der Hotspot gewaltbereiter Linksextremisten würde nachsichtig behandelt. Straftaten würden konsequent verfolgt und Gerichtsentscheidungen durchgesetzt, erklärte Geisel.
Die kurzzeitige Straßenschlacht sollte wohl eine symbolische Aktion des gewaltsamen Widerstands von den Unterstützern eines der letzten Symbolprojekte der linksextremen Szene in der Hauptstadt sein. Nachdem die Polizei Verstärkung erhalten hatte, verschwanden die Randalierer schnell und hinterließen Flammen und schwarze Qualmwolken.
Polizei ermittelt wegen versuchten Tötungsdelikten60 Beamte wurden verletzt, in drei Fällen ermittelt die Polizei wegen eines versuchten Tötungsdelikts. Doch das Ausmaß früherer gewaltsamer Auseinandersetzungen um besetzte Häuser hatte das alles nicht. Für die Nacht zu Donnerstag rechnete die Polizei nicht mit „weiteren derartigen gewalttätigen Ausschreitungen“, sagte eine Sprecherin.
Die Brandschutzprüfung ist für 8 Uhr am Donnerstagmorgen angesetzt. Dann sollen ein Brandschutz-Sachverständiger im Auftrag des Eigentümers und ein Vertreter des Bezirksamts das Haus begehen – auch die Wohnungen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) bestätigte am Mittwoch, dass die Duldungsanordnung des Bezirksamts gegen die Rigaer-94-Bewohner rechtens ist.
Nur in einem Punkt änderten die Richter die bisherige Linie des Senats, der Innenverwaltung und des Verwaltungsgerichts ab: Vertreter des Eigentümers dürfen die Wohnungen bei der Begehung vorerst nicht betreten – wohl aber die sogenannten Verkehrsflächen des Hauses wie Flure, Treppenhäuser, Keller, Innenhof und Dachboden. Die Anwälte des Eigentümers wollten ursprünglich klären, wer in den Wohnungen überhaupt lebt.
Die Hausbewohner hatten gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts vom Dienstag Beschwerde eingelegt. Es hatte zum wiederholten Mal klar entschieden, die Brandschutzprüfung sei zulässig und nicht zu beanstanden. Die Bewohner müssten sie hinnehmen.
Die Polizei hofft auf einen ruhigen Einsatz während der geplanten Brandschutzprüfung am Donnerstag. „Der Widerstand gestern war allerdings nur ein Vorgeschmack auf das, was uns erwarten könnte“, sagte ein Sprecher der Polizei der dpa am Donnerstagmorgen. Die Nacht sei ruhig verlaufen. Einzig auf dem Schleidenplatz sowie in einer Wohnung in der Liebigstraße habe es Versammlungen gegeben – jedoch ohne größere Ausschreitungen.
Die Polizei bereite sich trotzdem auf viele verschiedene Szenarien vor, hieß es. Im Vordergrund der Einsatzplanung stehe der Schutz des Prüfingenieurs. „Deshalb haben wir am Donnerstag deutlich mehr Einsatzkräfte vor dem Objekt, als im Objekt“, so der Sprecher. Am Morgen waren rund 350 Einsatzkräfte der Polizei vor Ort.
Das Gebäude weist viele Brandschutzmängel aufIn dem Gebäudekomplex aus drei Häusern mit 30 Wohnungen wurden schon vor Jahren zahlreiche Mängel beim Brandschutz dokumentiert, etwa fehlende Fluchtwege, Falltüren, Wanddurchbrüche, fehlerhafte Elektroleitungen und Sperren in Treppenhäusern. Der von den Grünen geführte Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg unternahm nichts – man wolle Gewaltausbrüche vermeiden, lautete die Begründung insbesondere von Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann und Baustadtrat Florian Schmidt (beide Grüne).
Sie verhinderten sogar, dass die Bauaufsicht des Bezirksamts ein offizielles Verfahren einleitet. Dazu musste Schmidt dann erst von der Bezirksaufsicht der Innenverwaltung gezwungen werden. Später verpflichtete auch das Verwaltungsgericht den Bezirk, sich an die Vorschriften zu halten.
Ob das verbarrikadierte Tor und die Wohnungen von Bewohnern geöffnet oder von der Polizei aufgebrochen werden müssen, bleibt abzuwarten. Dem Hausbesitzer und der Polizei wird der Zutritt seit Langem von den Bewohnern verweigert. Für einige Wohnungen gibt es keine Mietverträge. Unklar ist, wer inzwischen dort wohnt. Andere Mieter wiederum leben trotz Vertrag bereits in anderen Bundesländern.
Quelle: Tagesspiegel