Farbe gegen Kriegsdenkmäler

2087659173.previewNRW/Rheinland-Pfalz, 30. Oktober 2016

In der vergangenen Woche wurden in NRW und Rheinland-Pfalz verschiedene Wallfahrtsorte des deutschen Opfermythos verschönert. Mit diesen Aktionen soll die Kritik am unkritischen Gedenken an gefallene Soldaten aus Angriffs- und Vernichtungskriegen zum Ausdruck gebracht werden.

In Deutschland ist es schon seit der Kaiserzeit Tradition, Täter*innen zu vermeintlichen Opfern verklären zu wollen. Die dabei geschehende Rehabilitierung der deutschen Vernichtungstruppen und die Verharmlosung der deutschen Barbarei ist immer noch zentraler Bestandteil deutscher Gedenkpolitik. Hinter der entpersonalisierten Rede davon, dass alle irgendwie „Opfer von Krieg und Gewalt“ seien, verschwindet nicht ganz ohne Eigeninteresse, von wem der Krieg, von wem der industrielle Massenmord an den Jüdinnen und Juden ausging. Vielmehr zielt dieser Gedenkdiskurs lediglich darauf ab, Deutschland reinzuwaschen und die deutschen Täter*innen in die Opferliste der Nationalsozialist*innen mit aufzunehmen.

Dabei werden die Verbrechen des Nationalsozialismus flächendeckend verschwiegen oder gar geleugnet, und damit relativiert. So ist festzustellen, dass keines der angegriffenen Ziele auch nur ein Wort über die nationalsozialistische Massenvernichtung und die unzähligen Opfer dieser menschenverachtenden Verbrechen verliert. „Auch die Hervorhebung von Leid in Kriegsgefangenenlagern der Alliierten dient dem Ziel der Relativierung, vor allem, wenn die Verbrechen der Deutschen und die Rolle der Inhaftierten während des deutschen Faschismus ausgeblendet oder absichtlich verschwiegen werden.“ wie die Kampagne „NS-Verherrlichung stoppen!“ in einer gestern veröffentlichten Broschüre schreibt.

Hier wird auch nochmals sehr treffend beschrieben, warum die Soldaten der Wehrmacht nicht einfach nur „irgendwelche armen Kerle“ waren, die „für ihre Freunde“ gefallen sind, wie es beispielsweise in der Inschrift des Kriegerdenkmals in Bonn-Kessenich heißt. Sie starben im Dienste einer faschistisches Armee, deren Kriegsführung sich stark von einer „herkömmlichen“ Armee Unterschied. So war der Krieg der Wehrmacht in großen Teilen explizit gegen die Zivilbevölkerung gerichtet, von der Beteiligung an der Durchführung des Holocaust ganz zu schweigen:

„Vor allem in Osteuropa war ein konstitutiver Bestandteil der Kriegsplanung, die jüdische Bevölkerung zu ermorden. Doch auch nichtjüdische Zivilisten wurden in hohem Maße Opfer des deutschen Terrors. Bei so genannten “Vergeltungsmaßnahmen” wurden ganze Landstriche mitsamt der Bevölkerung dem Erdboden gleich gemacht. Zudem war eine gezielte Hungerpolitik Bestandteil der deutschen Kriegsführung.“ Wie es in der Broschüre weiter heißt. Aber auch in Westeuropa beging die Wehrmacht massive Verbrechen, wie beispielsweise der Terror gegen die Zivilbevölkerung in Frankreich als Teil der so genannten „Partisanenbekämpfung“.

Doch im Zuge des deutschen Opfergedenkens werden diese Taten konsequent verharmlost, verschwiegen oder geleugnet und faschistische Mörderkommandos wie die Wehrmacht als reguläre Armeen dargestellt. Die dabei vollzogene Täter-Opfer-Umkehr ist ein Tritt ins Gesicht der wahren Opfer des Nationalsozialismus.

Wer sich einem ernstgemeinten Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus verschreiben will, muss auch die Täter*innen in der eigenen Familie, dem eigenen Stadtteil, Bezirk, der Stadt etc. klar benennen. Dass man persönlich um Kriegstote trauern kann steht außer Frage, warum das in diesem Land aber scheinbar nicht ohne die Relativierung von Weltkrieg, Kriegsverbrechen, Massenmord und Holocaust geschehen kann, bleibt eine offene Frage.

Darum werden wir auch weiterhin unsere Kritik an der geschichtsrevisionistischen Gedenkkultur erkennbar machen, bis eine wirkliche Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen nicht mehr durch das leugnen der deutschen Kriegsschuld verünmöglicht wird.

Einen guten Anlass dazu bietet auch der neonazistische „Trauermarsch“ am 12. November diesen Jahres in Remagen, wo jährlich um den Volkstrauertag herum den vermeintlich unschuldigen „Opfern“ des „Alliierten Holocausts“ gedacht wird. Die dabei eindeutige Verdrehung der Geschichte stützt sich wie so oft auf einen bürgerlichen Opfermythos, der ausschließlich der gestorbenen deutschen Soldaten eines „Schreckenslagers“ gedenkt – Grund genug also, aktiv zu werden!

Gegen Geschichtsrevisionismus und deutschen Opfermythos!

Weitere Argumente:

Broschüre „Gegen den deutschen Opfermythos“ der Kampagne „NS Verherrlichung stoppen!“
http://remagen.blogsport.de/2016/10/29/broschuere-gegen-den-deutschen-opfermythos-erschienen/

Broschüre „Widerlichkeiten des deutschen „Heldengedenkens“ der „autonomen neuköllner antifa“:
http://antifa-neukoelln.net/download/Widerlichkeiten_des_deutschen_Heldengedenkens_%282009%29.pdf

Weitere Möglichkeiten:
Liste der kritischsten Kriegsdenkmäler in NRW und RLP im Anhang.

Quelle: Linksunten