„Wir müssen die aggressivsten sein, so aggressiv, das alle überrascht sind!“
Oliver Samwer, CEO Rocket-Internet [1]Mit diesen und ähnlichen Worten macht Mitgründer und Vorsitzender Oliver Samwer des sogenannten Internet-Inkubators Rocket-Internet weltweit auf sich aufmerksam. Ganz im Stil von Amazon & Co versucht der Konzern um die Vormachtstellung zu ringen. Es muss fast anerkennend gesagt werden, dass die „Unternehmensschmiede“ mit ihrer Copy&Paste-Strategie weltweit die kapitalistische Entwicklung und ausbeuterische Gewinnmaximierung auf die Spitze treibt. Selbst in der Höhle des Löwen, im Silicon-Valley, haben sich die selbsternannten Start-Up-Pioniere, alle Ehre gemacht. Zumindest den gefürchteten Ruf von Unternehmern, alles was nicht niet- und nagelfest ist, zu kopieren und unter neuen Label zu verkaufen.
Eines dieser sehr erfolgreichen Projekte ist Zalando. 2008 gegründet, erlangte das Unternehmen an Bekanntheit mit seinem Marketing-Slogan „Schrei vor Glück“ [2]. Unklar bei diesem Erfolg bleibt, ob es die Penetranz der Fernsehwerbeschleife war, die wohl so manchen Tinitus bescherte oder dessen dumm-dreißter Humor, welcher sich in das Erinnerungsvermögen der Menschen eingebrannt hat. Mittlerweile liegt der Unternehmenswert bei rund sechs Milliarden Dollar und hat sich zum größten Modehändler Deutschlands gemausert [3].
Doch auch wenn die zweifelhafte Samwer-Welt mit ihren Stiefelchen und Lackschühchen weitestgehend an uns vorbei geht, betrifft uns leider ihr aggressiv-unternehmerisches Gebahren nun auch ganz direkt. Ein riesen Scheißehaufen pflanzt sich in Form des neuen Zalando-Campus neben die Mercedes-Benz-Arena. 5000 neue Entwickler, Datenanalysten, Werbefachleute etc. werden dort dem Zalando-Imperium dienen [4]. Und nicht genug damit, kleckert es quer über das Berliner Stadtgebiet weitere Standorte. Am Ostbahnhof wird ganz dezent aus dem ehemaligen Kaufhof-Gebäude eine weitere Glasfestung aufgebaut, die ihren „modernen“ Schatten auf die Stadt werfen wird [7]. Ein paar Straßen weiter wurde das alte Gebäude der Post an der Skalitzer Straße ebenfalls zu einem Rocket-Tempel auserkoren. So erlebt der Privatklub, ein Veranstaltungsort für Konzerte,schon jetzt große Einschränkungen und rechnet damit seinen Betrieb räumen zu müssen, damit die innovativen Vibes der Start-Up-Community freien Lauf haben [6]. Als kleiner Lichtblick kann die Vertragskündigung mit dem Cuvry-Campus gesehen werden. Ursprünglich war auch hier ein großer Standort geplant [5].
Nun ist es aber auch keine ganz neue Entwicklung. Das früher mal anrüchig-alternativ anmutende Kreuzberg schwimmt mitten im trendigen Strom. In der schicken Zalando-Lounge / Zeughofstraße, sitzt die hippe Tech-Community in ihrer Shopping-Club-Zentrale. Die Start-Up-Factory am Görlitzer Park bietet ihren exklusiven Mitgliedern auf 14.000m² den größten Club für Innovation und Entwicklung Europas. Und auch Google sichert sich im Kiez seinen Platz an der Sonne und setzt (sich) gerade einen ordentlichen Haufen ins Umspannwerk/Kreuzberg.
So sorgt der Zuzug der wirtschaftlich sehr erfolgreichen Internet-Firmen samt ihren Angestellten für den Austausch ganzer Bevölkerungsschichten. Alteingesessene Spätis und Kneipen werden zu Fair-Trade-Schuh- oder Seifenläden. Ehemaliger Wohnraum wird zu exklusiven Apartments oder Ferienwohnungen.
Doch greift auch die unternehmerische Wertschöpfung auf einer anderen Ebene unsere Kieze an. Zunehmend lenkt der Global-Player seinen Blick auch auf die Immobilien dieser Stadt und presst seinen Gewinn aus dem Zuhause vieler Menschen, als wenn gerade ein weiteres Paar Schuhe verhökert werden soll. Durch gezieltes Einkaufen in Eigentümergemeinschaften zwingt Rocket-Internet die Objekte zur Teilversteigerung, um die Gemeinschaft aufzuheben und letztendlich in den gesamten Besitz der Immobilie zu gelangen [8].
Doch unser Hass gegenüber Zalando hört nicht bei der Gentrifizierung auf. Dieses Unternehmen steht sinnbildlich für die Industrie 4.0. Die Smart-ifizierung des Lebens wird mit aller Macht voran getrieben. So dringt die Technologie in jeden Bereich unseres Lebens vor und vernetzt diese miteinander. Was vordergründig als pure Philantrophie verkauft wird, ist stumpfer Geschäftssinn.
„Wir gehen davon aus, dass Marketing in Zukunft noch datenbasierter sein muss. Dafür brauchen wir einen höheren Anteil an Entwicklern und Datenanalysten“
Rubin Ritter, Co-Chef von Zalando[11]Die Menschen zahlen doppelt: Mit ihrem Geld und ihren Daten. Was früher kaum jemand von sich Preis gegeben hätte, ist nun aus den Nutzer-Profilen ablesbar. Diese Informationen erlauben nicht nur die Vorhersage möglicher Bedürfnisse, sondern ermöglichen auch die direkte Steuerung. Werbung wird gezielt eingesetzt, Informationen fließen beiläufig im Hintergrund ein oder werden heraus gefiltert. Was vor noch gar nicht langer Zeit als paranoide Verschwörungstheorie abgetan worden wäre, ist heute allgegenwärtige Realität. Jüngste Schlagzeilen über Facebook sind da wenig überraschend [10]. In Nullen und Einsen drücken sich unsere Eigenschaften aus und Algorithmen erlauben die Zuordnung nach Wahrscheinlichkeitswerten und Statistik. Die pausenlose Inwertsetzung aller Lebensbereiche ist das schlagende Geschäftsmodell der New Economy.
In einem permanenten Rating und Scoring werden die zunehmend gläsernen Menschen bewertet. Ob Kunde oder Mitarbeiter, der ökonomische Wert bemisst sich an individuellen Handlungen und Äußerungen. Der Mensch ist nicht länger Eigentümer seiner Arbeitskraft und verkauft diese. Alle seine Eigenschaften und sein ganzes Selbst wird zum ökonomischen Gut. Allgegenwärtig wirkt dieser Zwang und formt uns zu einer normierten und disziplinierten Masse. Ein digitaler Taylorismus zerstückelt und reorganisiert nicht nur die Produktion, sondern auch unser Konsum- und Freizeitverhalten. Ein fast devoter Glaube an die Technologie und ihren Heilsversprechen lässt auf die Lösung aller gesellschaftlichen Probleme hoffen [9].
Doch genauso regt sich Widerstand in verschiedensten Ecken der Stadt. So haben schon offenkundig viele Angriffe mit Feuer, Steinen und Farbe gegen diese Entwicklungen stattgefunden. Frei nach dem Motto: „Schrei vor Glück – oder schick‘s zurück!“ geht unser ablehnender Gruß zurück an den Absender. Mit Farbe und Steinen haben wir in der Nacht vom 22.03.18 den Zalando-Lounge-Standort in der Zeughofstraße angegriffen.
Fuck off Google, Zalando and Factory Berlin!
Einige nicht so smarte AnarchistInnen
Wenn nicht ohnehin schon mit Tor-Browser gelesen wird, weitere Links sollten spätestens nur so aufgerufen werden!
Quellen:
[1]https://www.facebook.com/media/set/set=a.10152944081254141.1073741828.9183509140&type=3
[2]https://www.youtube.com/watch?v=YR_GUH7pklY
[3]http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/zalando-steigt-ins-beauty-geschaeft-ein-a-1173568.html
[4]https://www.konii.de/news/colliers-international-zalando-campus-wird-in-berlin-entwickelt-201511174517
[5]https://www.morgenpost.de/bezirke/friedrichshain-kreuzberg/article213789061/Zalando-zieht-sich-vom-Cuvry-Gelaende-zurueck.html
[6]https://www.qiez.de/kreuzberg/wohnen-und-leben/privatclub-kreuzberg-club-gentrifizierung-rocket-internet/182798656
[7]https://www.morgenpost.de/bezirke/friedrichshain-kreuzberg/article213654217/Aus-dem-einstigen-Kaufhof-am-Ostbahnhof-wird-Zalando.html
[8]https://unserblockbleibt.wordpress.com/tag/eigentuemergemeinschaft/[9]https://makeamazonpay.org/broschuere/
[10]http://www.spiegel.de/netzwelt/web/facebook-in-der-krise-zu-gross-um-nicht-zu-scheitern-a-1199227.html
[11]https://www.golem.de/news/marketing-zalando-ersetzt-beschaeftigte-durch-algorithmen-1803-133259.html
Quelle: Indymedia