Das Auto des sächsischen Bundestagsabgeordneten Tino Chrupalla ist ausgebrannt, der AfD-Bundeschef wurde leicht verletzt. Politiker anderer Parteien verurteilen Gewalt.
Politiker mehrerer Parteien haben wegen des mutmaßlichen Brandanschlags auf ein Auto des AfD-Bundeschefs Tino Chrupalla Gewalt gegen Politiker verurteilt. Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) sagte: „Es gibt überhaupt keine Toleranz gegenüber Gewalt gegen Sachen und Personen. Wer zu solchen Methoden greift, spaltet die Gesellschaft, sorgt für neue Aggression.“ Es gelte, den „Kreislauf der Gewalt“ zu durchbrechen.
Auch aus der FDP kam Kritik. „Gewalt ist kein Mittel der politischen Auseinandersetzung. Niemals!“, twitterte Volker Wissing, FDP-Chef in Rheinland-Pfalz. „Jede Art von Gewalt ist nicht akzeptabel, hat keinerlei Rechtfertigung“, schrieben weitere CDU-Politiker, darunter der neue Ostbeauftragte der Bundesregierung, der sächsische Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz, und sein Parteikollege, der Abgeordnete Matthias Hauer.Die meisten hoben zugleich hervor, die AfD müsse „mit allen politischen und rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft werden“. Wissing ergänzte, die AfD sollte „mit allen demokratischen, gesellschaftlichen Mitteln inhaltlich gestellt werden“. Kretschmer sagte, bei Gewalt gehe es auch um das, „was in Worten und Reden gesagt wird“. Dazu habe die AfD „in den vergangenen Monaten und Jahren einen großen Beitrag geleistet“. Trotzdem rechtfertige nichts den Angriff auf Chrupallas Fahrzeug.
Auf ein Fahrzeug des AfD-Chefs war in der Nacht offenbar ein Brandanschlag verübt worden, der VW Caddy brannte völlig aus. Im Polizeibericht hieß es, die Feuerwehr habe ein brennendes Auto im sächsischen Gablenz gelöscht. Den Angaben nach ermittelt der Staatsschutz wegen einer möglichen politisch motivierten Tat. Laut Polizei musste der Fahrzeughalter – offenkundig Chrupalla – nach ersten Löschversuchen wegen Atembeschwerden vorsorglich ins Krankenhaus.
Chrupalla vertritt den Wahlkreis Görlitz im Bundestag und in der Bundesspitze die stark in den Landesparlamenten vertretenen ostdeutschen Landesverbände. Die AfD betrachtet den Brand als Folge der Auseinandersetzung mit der AfD in Folge des Attentats von Hanau. „Die mediale Hetze und die Gleichsetzung von AfD-Politikern mit Mördern bleibt nicht folgenlos“, sagte AfD-Fraktionsvitze Peter Felser. Ein Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion sagte, Deutschland sei auf einem „gefährlichen Weg, wenn Autos von Parteichefs brennen“. Hintergrund dessen ist die Kritik der politischen Gegner der AfD, die Partei habe durch ihre Rhetorik und ihre Politik ein gesellschaftliches Klima geschaffen, das Anschläge wie den auf eine Synagoge in Halle oder auf Besucherinnen und Besucher von Shisha-Bars in Hanau begünstige. Die AfD weist solche Vorwürfe zurück.
Politiker sind häufig Anfeindungen ausgesetzt, politische Gegner attackieren vielerorts Abgeordnetenbüros, Autos werden angezündet und Morddrohungen übermittelt. Erst vor wenigen Tagen brannte in Leipzig das Auto eines AfD-Stadtrates. 2019 wurden allerdings CDU-Politiker am häufigsten angegriffen: Das Bundesinnenministerium zählte 161 Taten, Vertreter der AfD waren 143 Mal betroffen, SPD-Politiker 118 Mal, die Grünen 97, die Linke 45, die CSU 13 und die FDP 12 Mal.
Chrupalla selbst sprach von einem „Brandanschlag auf meine Familie“. „Das überschreitet alle nur denkbaren Grenzen.“ Diese Eskalation müsse aufhören, forderte der AfD-Chef. Sie zeige, „wovor ich gewarnt und weshalb ich alle politischen Akteure zur Mäßigung und Selbstreflexion aufgerufen habe“, sagte Chrupalla. Ähnlich äußerte sich Co-Chef Jörg Meuthen, der auch von „unverantwortlicher Stimmungsmache der anderen Parteien“ sprach.
Chrupalla hatte am Sonntag der Wahl in Hamburg einen Mitgliederrundbrief verschickt, in dem er gemeinsam mit Meuthen zur verbalen Mäßigung in der politischen Debatte mahnte – viele politische Gegner bezeichnen die AfD-Politiker und die Partei als Nazis, unter anderem weil der Bundesverfassungsschutz bei Teilen der Partei Hinweise auf verfassungsfeindliche Bestrebungen vermutet. Erstmals räumten in dem Rundschreiben beide Parteichefs ein, dass die Tat von Hanau einen rechtsextremistischen Hintergrund hat. Bisher hatte die AfD nur von der Tat eines geistig Verwirrten gesprochen. Die in dem Schreiben vertretene Sichtweise wiederholte Chrupalla in einer Rede auf dem Landesparteitag der AfD Sachsen am Samstag.
Der Spiegel berichtete, für seine Analyse habe Chrupalla auch Kritik innerhalb der Partei einstecken müssen. Das könnte ihn auch Rückhalt im völkisch-nationalistischen Parteiflügel kosten: Als Vertreter der ostdeutschen Verbände an der Bundesspitze vertritt Chrupalla an der AfD-Spitze auch die Interessen des Parteiflügels um Björn Höcke.
Quelle: Zeit