Berlin, 26. September 2023
Wir übernehmen die Verantwortung für den Brandanschlag auf einen Bagger der Hentschke Bau GmbH am 26. September auf einer Baustelle der Deutschen Bahn in der Nähe des S-Bahnhofs Attilastraße in Berlin-Tempelhof. Wie der Presse zu entnehmen war, ist der Bagger ausgebrannt. Der weiße Bagger trug den Firmennamen als Aufdruck.
Die Hentschke Bau GmbH und ihr Geschäftsführer Jörg Drews arbeiten als Schnittstelle zwischen Wirtschaft, neoliberaler Elite und Faschistinnen. Drews übernahm im Jahr 1992 die Hentschke Baugesellschaft und machte sie zu einem der wichtigsten Unternehmen in Ostsachsen. Mit rund 700 Mitarbeiterinnen ist Hentschke Bau einer der größten Arbeitgeber und baut bundesweit Straßen, Brücken, Häuser und auch Knäste, wie den Gefängnisneubau in Zwickau, dem Gefährt*innen bereits 2019 einen Besuch abstatteten.
„Soweit ich weiß, bin ich hier in Bautzen seit Jahrzehnten einer der kontinuierlichen Steuerzahler. Ich setze mich gesellschaftlich für viele Belange ein.“ -Jörg Drews
Drews, der ein Mandat im Bautzener Stadtrat hat, inszeniert sich als einer der größten Mäzene der Stadt. Neben Bauprojekten, finanzieren Drews und seine Hentschke Bau GmbH unter anderem Sportvereine, Theatergruppen und Musikkapellen. Auf den ersten Blick also ein großzügiger Mensch, Chef und Arbeitgeber einer Firma, die am Ausbau teils wichtiger Infrastruktur beteiligt ist und der mit seinem vielen Geld was Gutes für die Region tun möchte.
Doch hinter der Fassade versteckt sich ein gut vernetzter Unternehmer und Politiker, der konservative bis faschistische Akteur*innen strukturell und finanziell unter die Arme greift und damit rechtes Gedankengut salonfähig macht.
So unterstützte er das Magazin „denkste mit?!“, nicht nur finanziell sondern auch als Autor. Das Format hetzte gegen Geflüchtete, verbreitete antisemitische Verschwörungstheorien und gab bekannten Reichsbürgerinnen immer wieder eine Bühne. Enge Partnerinnen und Verbündete, dieses nun eingestellten Magazins, waren das Compact-Magazin, die Junge Freiheit und der Kopp Verlag. Zugleich war es auch das Sprachrohr von „Wir sind Deutschland – nur gemeinsam sind wir stark“, einer rechten Bürgerinitiative in der auch Drews Mitglied war. Die pflegte enge Verbindungen zu Reichsbürger*innen und organisierte regelmäßig Demonstrationen und Kundgebungen in Ostsachsen.
Bis zur 2019 verkündeten Trennung unternehmerischer und politischer Aktivitäten organisierte Hentschke Bau die gut besuchten Bürgerforen im Bautzener Hotel Residence. Vortragende waren unter anderem, der zur AfD desertierte ehemalige Dresdener CDU-Mann Maximilian Krah und der ehemalige Verteidigungsstaatssekretär Willy Wimmer, der für das rechte Compact-Magazin schreibt.
Drews Geld fließt auch in die Kassen von Ostsachsen.TV, einem Medium, welches Rechtsradikalen, wie Maximilian Thorn aus Bautzen (Identitäre Bewegung), Jürgen Elsässer (rechter Youtuber und Journalist), Jörg Urban (Vorsitzender der AfD-Sachsen) oder Tino Chrupalla (Bundessprecher und Vorsitzender der AfD im Bundestag) zu Wort kommen lässt. Passend dazu kam von der Hentschke Bau GmbH mit 19.500 € die zweitgrößte AfD-Einzelspende im Bundestagswahlkampf 2017.
Trotz seines langjährigen Engagements möchte Jörg Drews aber nicht in die rechte Ecke gestellt werden. In regelmäßigen Abständen wehrt er sich öffentlich dagegen und benutzt dafür übrigens gerne diverse von ihm finanzierte Projekte. Die veröffentlichen dann Pressemitteilungen oder Radio- und Fernsehberichte, in denen Empörung und Unverständnis bekundet wird. Dabei sind Drews und seine Hentschke Bau GmbH ein gutes Beispiel dafür, wie wirtschaftsliberale Unternehmer*innen mit ihrem Kapital und (regionalen) Einfluss, der rechten Bewegung den Weg ebenen.
„Wer gegen Nazis kämpft, kann sich auf den Staat überhaupt nicht verlassen.“ -Esther Bejarano
Faschistische Parteien wie die AfD, inszenieren sich gerne als Protestparteien der „abgehängten“ Arbeiter*innenklasse. Das Verhalten und die Positionen von Figuren wie Drews zeigen aber auf, dass faschistisches Denken durchaus auch kompatibel mit wirtschafts- und neoliberalen Gedankengut ist. Das ist mit seinen klassenchauvinistischen Elitevorstellungen viel eher in den Chefetagen von Staat und Kapital verbreitet.
Nicht umsonst rekrutiert sich auch die Führungsriege faschistischer Parteien von AfD, über Fratelli d’Italia bis Rassemblement National überproportional aus der Oberschicht.
Die steinreiche aktuelle AfD-Co-Vorsitzende Herzogin Beatrix von Storch war lange Mitglied der, nach einem der Urväter des Neoliberalismus benannten, Friedrich-von-Hayek-Stiftung. (Dessen Äußerung „Daher würde ich persönlich einen liberalen Diktator einer demokratischen Regierung vorziehen, der es an Liberalität mangelt“ ein eigentlich ziemlich deutliches Bild davon vermittelt, was man von Demokratie im allgemeinen hält.)
Oder nehmen wir Alice Weidel, die vor ihrer Polit-Karriere bei der internationalen Großbank Goldmann Sachs tätig war und heute als Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag sitzt. Sie schrieb ihre von der Konrad-Adenauer-Stiftung geförderte Doktorarbeit bei Peter Oberender, einem der größten Befürworter für die Privatisierung des Gesundheitssystem.
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass die größte Einzelspende an die AfD im ersten Halbjahr 2023, von einem hessischen Bauunternehmer gekommen ist. Hartmut Issmer spendete 265.000 Euro, weil er nach eigenen Angaben ein Gegner des „Corona und Klimaschwachsinns“ sei. Auch er fiel in den letzten Jahren immer wieder mit Reden auf PEGIDA Ablegern, in Gesellschaft mit Reichsbürgern und als Initiator eines AFD-Stammtisches mit Björn Höcke auf.Die persönlichen Überschneidungen zwischen neoliberalen und faschistischen Ideolog*innen sind kein Zufall. Es existiert eine historische und aktuelle Interessengemeinschaft von Kapital, der bürgerlichen Klasse und dem Faschismus. Diese wird immer konkreter: Kürzlich erst hat die CDU in Thüringen mit den Stimmen der AfD den Gewerbesteuersatz gesenkt – eine Zusammenarbeit, die auch innerhalb der Bundes-CDU kaum auf Widerspruch stieß. Wenn es um die Sicherung von Profiten geht, werden alle symbolischen „Brandmauern“ schnell eingerissen. Denn: „Faschismus ist als reaktionäres Krisen-Rettungsprogramm des Nationalstaates in einer kapitalistischen Gesellschaft grundsätzlich angelegt. Antifaschismus muss daher neben der Zerschlagung konkreter faschistischer Strukturen die Überwindung der bürgerlichen Gesellschaft zum Ziel haben.“
Daran muss der antifaschistische Kampf theoretisch und praktisch ansetzen, sowohl durch die Bekämpfung von konkreten faschistischen Strukturen und ihren Financiers, als auch durch die radikale Kritik der bürgerlichen, patriarchalen Gesellschaft, denn nur eine antifaschistische Kritik, die gesellschaftliche Gewalt- und Herrschaftsverhältnisse als ganzes kritisiert und ihre Zusammenhänge aufzeigt, ist eine wirksame.
Es ist uns in diesem Zusammenhang auch wichtig eine Kritik an staatlich finanzierten, antifaschistischen Initiativen zu formulieren. Die wichtige und in Teilen Deutschlands auch unersetzliche Arbeit dieser Initiativen und Projekte, bleibt immer strukturell hinter einer notwendigen radikalen Kritik der kapitalistischen Gesellschaft zurück. Der eigene Widerspruch von staatlicher Seite finanziell abhängig zu sein und damit auch ein bürgerliches Demokratieverständnis haben zu müssen und andererseits ernsthaft antifaschistische Kritik zu formulieren, kann unserer Meinung nach nicht aufgelöst werden. Findet wichtige antifaschistische Arbeit außerhalb der Regeln und Gesetze des bürgerlichen Staats statt, wird sich in Windeseile distanziert, um die eigene Arbeit nicht zu gefährden. Daher werden auch die Besitz- und Gewaltverhältnisse nicht kritisiert, sondern teilweise mit ebenjenen Institutionen zusammengearbeitet, die sie aufrechterhalten. Die Verortung innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft zeigt sich da nur allzu deutlich und geht so weit, dass z.B. Stephan Kramer nicht nur Präsident vom thüringischen Verfassungsschutz, sondern auch ein Mitglied im Stiftungsrat der Amadeu-Antonio-Stiftung ist. Es sollte uns daher klar sein, wie sich ein Großteil dieser Vereine und Initiativen positionieren wird, wenn die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft und der Staat ins Wanken gerät.
Doch auch uns als antifaschistischer Bewegung fällt die Kritik an Staat, Eigentum und eigenen Privilegien immer wieder schwer. Die Parole „Antifa ist der Kampf ums Ganze“, ist solange eine leere Worthülse und ein Feigenblatt, bis wir anfangen ernsthaft über Macht, Gewalt und Patriarchat zu reden. Wenn es nur noch darum geht, wie wir Nazis am effektivsten verhauen können, wundert es wenig wenn militanter Antifaschismus zum Selbstzweck oder zur elitären Nabelschau verkommt. Wir finden es gut und notwendig, dass in den letzten Monaten vermehrt über diese Themen geredet und geschrieben wurde, lasst uns dort weitermachen, lösen wir die Mär von vermeintlichen Haupt- und Nebenwidersprüchen auf die uns die bürgerliche Gesellschaft aufzwingt und arbeiten wir an einem revolutionären und nachhaltigen Antifaschismus der unversöhnlich gegenüber Faschist*innen, dem Staat und der bürgerlichen Gesellschaft ist.
Quelle: Kontrapolis (Tor)