Mittenwald/Radolfzell, 7. + 15. Januar 2018
Das Kriegerdenkmal am Radolfzeller Luisenplatz ist wieder einmal unfreiwillig bunt geworden. Eine Gruppe, die sich selbst als Antifa Paradise vorstellt, bekennt sich mit einem Schreiben zu dieser Tat. Vor allem die Aktivitäten des III. Wegs an diesem Ort stören die Linksaktivisten. Der Stadtverwaltung machen sie schwere Vorwürfe.
Beim genauen Hinsehen sind die Farbreste noch zu erkennen. In der Nacht von Sonntag auf Montag ist das Kriegerdenkmal am Luisenplatz erneut Ziel eines Farbanschlags geworden. Am Montagmorgen erreichte die SÜDKURIER-Redaktion das Bekennerschreiben von „Antifa Paradise“, die sich als eine neue autonome, antifaschistische Gruppierung aus der Bodenseeregion vorstellt. In dem Schreiben erklärt Antifa Paradise, dass es das Ziel gewesen sei, das Denkmal zu beschädigen, welches NS-Täter verherrliche und seit Jahrzehnten als Wallfahrtsort für Neonazis, wie zum Beispiel Mitgliedern des III. Wegs, diene. Der III. Weg ist eine rechtsextremistisch-neonazistische Kleinpartei, die unter Beobachtung des Staatsschutzes steht.Gleichzeitig werden in dem Schreiben auch Vorwürfe gegen die Radolfzeller Stadtverwaltung erhoben. Nach bisherigen linken „(Schändungs)-Aktionen“, wie Antifa Paradise weiter schreibt, sei die Stadt bei den Säuberungen bemüht gewesen, den Ansprüchen des III. Wegs an das Denkmal gerecht zu werden. Es habe sogar E-Mail-Verkehr zwischen Mitgliedern des III. Wegs und der Stadtverwaltung gegeben, in denen die Stadt die Säuberung des Denkmals nachweist, heißt es in dem Schreiben weiter. Damit habe die Stadt sicherstellen wollen, dass der III. Weg auch weiterhin in Radolfzell seine Feierlichkeiten abhalten könne, so der Vorwurf der linken Gruppierung.
Bürgermeisterin Monika Laule bestätigt einen E-Mail-Kontakt mit einem Absender namens „Der III. Weg – Stützpunkt Württemberg“. Es ging um eine ähnliche Farbattacke vom 21. auf den 22. Januar 2017. In dieser Nacht hatten Linksautonome das Kriegerdenkmal mit Farblack besprüht. Aufgrund der kalten Temperaturen habe man das Denkmal nicht sofort reinigen können. Um den verwendeten Lack vom porösen Stein beseitigen zu können, habe man eine Spezialfirma engagieren müssen. Die Reinigung habe erst am 2. Februar 2017 abgeschlossen werden können. In der Zwischenzeit habe sich eben jener III. Weg – Stützpunkt Württemberg gemeldet, und die unverzügliche Reinigung des Denkmals gefordert. „Andernfalls wird unsere Partei vor Ort die Säuberungsaktion anmelden und öffentlichkeitswirksam durchführen“, lautete die Ankündigung in der Mail vom 29. Januar 2017. Diese öffentliche Säuberungsaktion habe Laule untersagt und wenige Tage später per Mail darauf hingewiesen, dass das Denkmal nun gereinigt sei. Das Denkmal werde nach jeder Farbbeutel-Aktion gereinigt, weil es sich um öffentliches Eigentum handle, und nicht, um dem III. Weg die Feierlichkeiten zu ermöglichen, stellt Monika Laule klar.
„Eine Zerstörung des Denkmals entspricht nicht den Radolfzeller Leitlinien zur Erinnerungskultur“, lässt die Bürgermeisterin mitteilen. Der Arbeitskreis Erinnerungskultur werde sich im März dieses Jahres treffen und die vom Kulturausschuss beschlossenen Vorschläge zur Umgestaltung des Luisenplatzes besprechen. Im Oktober 2017 wurden insgesamt vier Optionen in die engere Wahl gezogen: Das Denkmal wird von Pflanzen zugewachsen, eine Erläuterungstafel zur Großherzogin Luise soll den Namen des Platzes erläutern, die Schaffung eines Aufenthaltsortes und die Versetzung der Figuren an einen anderen Standort innerhalb des Luisenplatzes.
Die Stadtverwaltung hat die erneute Beschädigung des Denkmals zur Anzeige gebracht. Willi Streit, Leiter des Radolfzeller Polizeireviers, gab an, den Fall an den Staatsschutz weitergegeben zu haben. Es sei völlig unklar, wer genau hinter dem Bekennerschreiben der Antifa Paradise stecke, so Streit. Dieser werde immer bei politisch motivierten Straftaten eingeschaltet. Für den Straftatbestand der gemeinschaftlichen Sachbeschädigung drohen den Tätern bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe.
Quelle: Südkurier
Die allermeisten Menschen in Mittenwald sind mit den Gebirgsjägern in der örtlichen Edelweiß-Kaserne ebenso im Reinen wie mit der umstrittenen Traditionspflege der Truppe am 1957 errichteten Ehrenmal auf dem Hohen Brendten. Selbst mit denen, die diese Traditionspflege immer wieder als Beschwörung des alten Ungeists aus Wehrmachtszeiten angeprangert haben, hat sich die Gemeinde im Jahr 2010 arrangiert und einem entsprechenden weiteren Mahnmal einen Platz an der örtlichen Mittelschule gegeben.
Seither sind die Proteste gegen die Gedenkfeiern abgeflaut, die der „Kameradenkreis der Gebirgstruppe“ jedes Jahr zu Pfingsten auf dem Brendten abhält. Doch nun hat offenbar doch wieder ein Gegner zur Spraydose gegriffen und am Ehrenmal Slogans hinterlassen, die ein Polizist bei einem ersten Versuch selbst mit einem Spachtel kaum entfernen konnte. Jetzt ermittelt in Mittenwald wieder der Staatsschutz.
Den hat die örtliche Polizeiinspektion eingeschaltet, weil die Parolen denen früher Kundgebungen gleichen und offenkundig politisch motiviert seien. Das Repertoire reicht von „Soldaten sind Mörder“ über „Kein Vergeben“ und „Kein Vergessen“ bis zur Gleichung „Mittenwald=Nazikaff“. Sie verteilen sich auf die beiden 14 Meter hohen Steinblöcke des alten Ehrenmals mit den eingemeißelten Jahreszahlen der beiden Weltkriege und auf das 2015 hinzugefügte waagerechte Ehrenmal für die toten Gebirgsjäger aus demokratischen Zeiten.
Die Täter haben ihre Schriftzüge nach Angaben des Polizeipräsidiums Rosenheim wohl irgendwann zwischen 6. und 9. Januar hinterlassen. Zu der Zeit habe auf 1138 Metern Höhe am Brendten kein Schnee gelegen. Nur so kann sich die Polizei die Farbspuren auch am Boden erklären. Sie hofft nun auf Zeugen oder darauf, dass sich die Unbekannten womöglich im Internet mit ihrer Tat brüsten. Von einer ähnlichen Aktion aus früheren Jahren kursierte sogar ein Video – allerdings waren die Täter maskiert. Nach 2009 ist es laut Polizei nicht mehr zu solchen Protesten gekommen.
Die Gedenkfeiern, an denen altersbedingt inzwischen nur noch wenige frühere Wehrmachtssoldaten teilnehmen, verliefen ungestört. Zuletzt stand eher der Gebirgsjäger-Kameradenkreis in Bad Reichenhall im Fokus, der beim „Kreta-Gedenken“ an gefallene Soldaten erinnert, aber von Hunderten ziviler Opfern der Wehrmachtsmassaker auf Kreta sehr viel weniger wissen will.
Quelle: SZ